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“Es liegt in unserer Familie” – Unser türkischer Produzent Hussam Tatari über Geschichte, Werte und Nachhaltigkeit

12. September 2022 in Unternehmen Verantwortung

Hussam Tatari produziert unsere Premium-Kollektion, sein Familienunternehmen Tatari and Partners Konfeksiyon war bereits über 100 Jahren in der Textilindustrie tätig, als die politische Situation in Syrien ihn zwang, seine Fabrik in Aleppo zu schließen. Doch Hussam gab nicht auf: „Meine Familie hat sich über Generationen einen Namen in der Textilbranche gemacht, der für hohe Qualität steht. Dies erfüllt mich mit Stolz. Aufgeben kam für uns deshalb nie in Frage.“

Lieber Hussam, kannst Du uns etwas über Dich und Deine Firma erzählen?

Mein Name ist Hussam Tatari und wir führen die Firma zu viert in einer Partnerschaft: Mein Bruder, ich selbst, ein italienischer Partner namens Massimo Burdo und Tobias Friedmann aus Deutschland. Am 22. August hatten wir ein Videoteam aus Deutschland hier, um zu dokumentieren, wie das Unternehmen produziert. Dabei wurde gezeigt, wie wir Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen, da dieses Thema für uns alle und unsere Zukunft sehr wichtig ist. Wir nehmen diese Herausforderung jetzt schon an und ergreifen die richtigen Maßnahmen, bevor es die Konkurrenz tut. Dies verschafft uns am Markt einen Vorsprung, um heute und morgen erfolgreich Kleidung verkaufen zu können.

Wie bist Du Textilproduzent geworden?

Ich bin eigentlich gelernter Elektroingenieur. Nach meinem Studium habe ich mich dennoch dazu entschlossen, in unser Familienunternehmen einzusteigen, das seit drei Generationen und über 100 Jahren durch unsere Familie geführt wird. Vor meiner Zeit haben es meine Cousins und Cousinen geleitet. Nach Abschluss meines Studiums habe ich eine Produktionsstätte in Syrien gegründet, um unsere Familientradition in Aleppo fortzusetzen. Am Anfang war es eine Menge harter Arbeit, aber zum Glück wurde unsere Produktion mit der Zeit recht erfolgreich.

Und was genau liebst Du an deinem Beruf?

Bei der Herstellung eines Kleidungsstücks fangen wir damit an, unser Qualitätsgarn zu produzieren. Wir färben es anschließend auch selbst. Meine Produkte sind meine Leidenschaft und der Hauptgrund, warum ich Textilproduzent werden wollte. Es macht mich sehr glücklich, etwas mit meinen eigenen Händen zu schaffen, das es in dieser Form noch nie zuvor gab. Das ist mir sehr wichtig.

Du bist 2011 aus Syrien in die Türkei gezogen. Wie hast Du es geschafft, ein Produktionsunternehmen in so kurzer Zeit aufzubauen?

Leider läutete die politische Situation in Syrien das Ende für private Unternehmen wie meines ein, da es erst verstaatlicht und dann geschlossen wurde. Wir sind im Jahr 2011 in die Türkei umgezogen, weil die neue Produktionsstätte nur etwa 150 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt ist. Es gab immer den Gedanken, eines Tages nach Syrien zurückzukehren. Am Anfang war es eine völlig neue Situation in einem fremden Land. Die meisten der 50 Personen, mit denen wir hierhergekommen sind, waren Familienmitglieder oder ehemalige Mitarbeiter. Wir hatten weder Geld noch die Fabrikausstattung, da uns alles weggenommen wurde. Es war eine große Herausforderung für uns.

Alle unsere Kunden haben uns von Anfang an mit Vorauszahlungen unterstützt. Dieses Vertrauen basiert auf unseren gut etablierten Kundenbeziehungen, denn wir sind seit über 20 Jahren mit unseren Kunden – oder Partnern, was es viel besser beschreibt – gewachsen. Zwei unserer Kunden und mein deutscher Geschäftspartner liehen uns Geld, damit wir wieder anfangen konnten. Für uns war es ein Segen, dass uns damit eine neue Chance gegeben wurde. Nur 18 Tage nach dem Umzug konnten wir den ersten Container mit neuen Produkten verschiffen, die wir in unserer Fabrik in der Türkei hergestellt hatten. Was mit nur 50 über die Grenze geflüchteten Mitarbeitern begann, hat sich zu einer der Erfolgsgeschichten der türkischen Bekleidungsindustrie entwickelt. Heute haben wir über 2.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 70 Millionen Euro.

Du produzierst Kleidungsstücke für bekannte europäische Unternehmen, wie Engelbert Strauss, Versace, Lonsdale oder Alpha Industries. Wie hast Du die Anfänge unserer Zusammenarbeit erlebt?

Die Spread Group ist 2015 an uns herangetreten, weil euch unsere Produkte gefielen und ihr an unseren ethischen Grundsätzen interessiert wart. Wir übernehmen gerne Verantwortung, indem wir uns nicht nur an Gesetze und Vorschriften halten, sondern darüber hinaus auch sozial verantwortlich handeln. Wir wollen sicherstellen, dass jeder im Produktionsprozess beteiligte Mitarbeiter selbst ein starkes Verantwortungsbewusstsein für unsere Standards hat. Das sind ethische Standards, die nachhaltiges Handeln und kollaborative soziale Verantwortung, wie zum Beispiel amfori BCSI (Business Social Compliance Initiative), beinhalten. Wir alle wünschen uns eine gute Zukunft. Nachdem der Geschäftsführer der Spread Group uns besucht hat, um sich selbst ein Bild von unserer Produktion zu machen, habt ihr euren ersten Auftrag gestellt. Seitdem ist unsere Partnerschaft stetig gewachsen.

Sind die Drittunternehmen, die ihr zum Spinnen, Stricken und Färben einsetzt, in der Region ansässig? Und wie sehen deren Qualitätsstandards aus?

Seit diesem Jahr spinnen wir das Garn im eigenen Haus. So konnten wir die Lieferkette verkürzen und gleichzeitig nachhaltiger werden. Die meiste Baumwolle beziehen wir aus der Türkei und aus Griechenland. Von unseren Partnern erwarten wir das gleiche Maß an sozialer Verantwortung, das wir auch selbst pflegen. Wir stellen sicher, dass unsere Partner ethische und ökologische Kodizes einhalten, die sich nicht nur auf das Engagement zur Einhaltung von Umwelt- und ethischen Standards beschränken, sondern auch ein besseres soziales- und ökologisches Umfeld für die Beschäftigten ermöglichen.

Nachhaltige Kleidung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Habt ihr euch Ziele gesetzt, um noch nachhaltiger zu werden?

Es ist uns sehr wichtig, unseren Partnern ein hohes Maß an Produktstandards zu garantieren. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Produktionsbedingungen den Erwartungen unserer Mitarbeiter und unserer Kunden entsprechen. Deshalb haben wir alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um unsere Produkte mit OEKO-Tex zertifizieren zu lassen und unser Unternehmen nach dem GOTS-Standard auszurichten. GOTS ist ein globaler Textilverarbeitungsstandard für Bio-Fasern, der auch ökologische und soziale Kriterien einbezieht. Es handelt sich um eine unabhängige Zertifizierung der gesamten textilen Lieferkette, die Faserprodukte, Garne, Stoffe, Kleidung, Heimtextilien und mehr umfasst.

Außerdem verwenden wir Gas statt Kohle als Energiequelle beim Färben der Stoffe, bis die Installation von Solarzellen zur Stromversorgung abgeschlossen ist. Das führt zwar zu höheren Produktionskosten von 50 Cent pro Kilogramm, ist jedoch im Sinne des Umweltschutzes kein allzu großer Mehraufwand. Des Weiteren installieren wir gerade eine grüne Wasserstofftankstelle, die es uns nächstes Jahr ermöglichen wird, durch Elektrolyse erneuerbaren Strom zu gewinnen. Wir hoffen, dass wir damit ab nächstem Jahr den Umstieg schaffen können.

Wir haben das Gefühl, dass Du eine große Leidenschaft für die Herstellung von Kleidungsstücken hast. Was ist daran für dich besonders erfüllend?

Ich bin erst dann richtig glücklich, wenn ich die Arbeit perfekt erledige. Dann fühle ich, dass ich als Dienstleister eine gute Sache mache. Ich frage meine Partner und Kunden immer nach neuen Ideen, damit wir nicht immer wieder die gleichen Dinge produzieren. Derzeit geht es darum, Bio-Baumwolle zu beschaffen und recycelte Materialien für neue Kleidungsstücke zu verwenden. Es macht mich wirklich glücklich, diese neuen Wege zu gehen. Wir unternehmen diese Anstrengungen, damit unsere Kunden mit unseren Produkten zufrieden sind – denn zufriedene Kunden kommen immer wieder zurück.

Letzte Frage – werdet Ihr auch in Zukunft ein Familienunternehmen sein?

(lacht) Ja, absolut. Die nächste Tatari-Generation steht schon bereit. Einer meiner Söhne steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums und wird dann dem Team beitreten. Ich freue mich sehr, dass er sich uns anschließen will. Und mein Sohn Abdullah hat letztes Jahr sein Studium abgeschlossen und arbeitet bereits bei uns. Er macht zurzeit ein Sprachprogramm an einer Schule in Deutschland, da die meisten unserer Kunden in Deutschland ansässig sind.

Vielen Dank, Hussam!

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Mayra Koziollek

Mayra Koziollek

Senior PR Manager